Arbeitshypothese(n):
Die wissenschaftliche Begleitung fokussiert ihren Blick auf zwei Ebenen:
– die Umsetzungspraxis der Beratungs- und Präventionsangebote und
– die Koordinationsstrukturen der Landes-Demokratiezentren.
In der Betrachtung der Umsetzungspraxis der Beratungs- bzw. Präventionsangebote sollen vor allem die folgenden Fragestellungen verfolgt werden:
• Welche Entwicklungen zeichnen sich in den einzelnen Angeboten ab?
• Wie wird der Zugang zu Zielgruppen gestaltet?
• Welche Problemverständnisse und fachlichen Orientierungen liegen den einzelnen Angeboten zugrunde?
• Wie wirkt diese Arbeit bei den Adressierten unter welchen Bedingungen? Wie schätzen die Beratungsnehmenden die Beratungsarbeit ein?
In der Untersuchung der Koordinationsstrukturen der Landes-Demokratiezentren wird vor allem untersucht:
• Welche inhaltlichen Schwerpunktsetzungen nehmen die Landes-Demokratiezentren vor? Was beeinflusst diese Schwerpunktsetzungen?
• Wie gestaltet sich die Koordinierungs- und Vernetzungsarbeit der Landes-Demokratiezentren?
• Inwieweit gelingt es, alle relevanten Akteurinnen und Akteure des Bundesprogramms zusammenzuführen?
• Welchen Einfluss hat die Koordinierungsarbeit auf die Qualität der Beratungs- und Präventionsangebote in den einzelnen Bundesländern?
Forschungsbefunde:
Im Handlungsbereich Land von „Demokratie leben!“ werden aktuell 13 Angebote der Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit im Bereich Rechtsextremismus gefördert. Die wissenschaftliche Begleitung fokussiert sich im folgenden zum einen auf die aktuelle Handlungspraxis, im Feld (adressierte Personengruppen, Herstellung von Zugängen und ausgewählte Elemente der Beratungsarbeit). Zum anderen betrachtet sie Fragen der Professionalität und Professionalisierung des Arbeitsbereichs durch die Analyse der fachlichen Hintergründe, Orientierungen und Reflexionen der Mitarbeitenden. Die empirische Basis der Ausführungen bilden eine quantitative und eine qualitative Befragung von Umsetzenden der Angebote, die im Sommer 2020 erhoben wurden.
Kontextfaktoren der Arbeit
– Die Darstellung der Kontextfaktoren zeigt ein Nebeneinander von Prozessen der Etablierung und Prekaritätstendenzen. Angesichts einer langjährigen Existenz vieler Angebote, erprobten Vorgehensweisen und gemeinsam erarbeiteten Standards kann von einer etablierten Arbeitspraxis gesprochen werden. Daneben zeigen sich aufgrund strukturell bedingter Unsicherheiten aber auch Prekaritätstendenzen. Durchdie projektförmige Finanzierung sind die Angebote nicht dauerhaft finanziell abgesichert.
Handlungspraxis der Ausstiegs- und Distanzierungsberatung
– Die Angebote der allgemeinen Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit adressieren v.a. drei Gruppen: Adressierte der direkten Ausstiegs- und Distanzierungsberatung, pädagogische Fachkräfte und Multiplikatorinnen bzw. Multiplikatoren sowie Eltern bzw. das soziale Umfeld. Den inhaltlichen Kern dieses Arbeitsbereichs bildet die direkte Ausstiegs- und Dis-tanzierungsberatung von rechtsextremen Personen bzw. von Personen in Hinwen-dungsprozessen zum Rechtsextremismus.
– Die Herstellung von Zugängen erfolgt häufig über Konstellationen, die extrinsisch motiviert sind, wenn z.B. signalgebende Dritte den Kontakt herstellen. Daher stellt sich für die Angebote die Herausforderung, zunächst eine intrinsische Motivation, d.h. ein Problembewusstsein und einen Veränderungswunsch herzustellen. Hierbei sind eine transparente Kommunikation über Zielstellungen und Ausgangsbedingungen der Beratung sowie Freiwilligkeit der Nutzung und Ergebnisoffenheit wichtige fachliche Grundprinzipien.
– Zentrale Vorgehensweisen in der Beratung sind Biografiearbeit, lebenspraktische Hilfe und die Auseinandersetzung mit Ideologie bzw. Ideologiefragmenten. Im Hinblick auf die Zielstellungen der Arbeit und die Kriterien eines Fallabschlusses zeigt sich, dass die Angebote eine soziale und ideologische Distanzierung sowie den Verzicht auf Gewalt anstreben. Die konkrete Definition einer ausreichenden ideologischen Distanzierung bleibt jedoch vage und ist nicht fallübergreifend anhand fixer Indikatoren möglich. Hier stellt sich allgemein die Frage, welchen normativen Anspruch die Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit verfolgen kann.
Professionalität und Professionalisierung im Arbeitsfeld
– Es zeigt sich eine primäre Selbstverortung der Mitarbeitenden in der Sozialen Arbeit. Die Abschlüsse und Weiterbildungen der Mitarbeitenden verweisen auf ein hohes Akademisierungsniveau im (sozial-)pädagogischen Bereich und eine Orientierung an systemischer Beratung.
– Die Bundesarbeitsgemeinschaft „Ausstieg zum Einstieg“ bietet ein wichtiges Forum für Reflexionsimpulse und für die Anregung von Professionalisierungsprozessen. Die gemeinsam erarbeiteten Qualitätsstandards sind eine wichtige Referenz für die zivilgesellschaftlichen Angebote.
– In den Interviews zeichnen sich fachliche Reflexionen und vor allem team- und trägerbezogene etablierte Möglichkeiten für Reflexionen des eigenen Handelns ab, die ein wichtiger Teil von professioneller Praxis sind. Deutlich werden ressourcenorientierte, wertschätzende Haltungen gegenüber den Adressatinnen und Adressaten und transparente Aushandlungen zu den Zielen der Beratung.
– Mit Blick auf fachliche Hintergründe, Orientierungen und Reflexionen zeigt sich übergreifend, dass das Arbeitsfeld weitgehend fachlich fundiert arbeitet.
Zitation des Projekts
wissenschaftliche Begleitung des Handlungsbereich Land
Quellenangabe projektbezogener Publikation https://www.dji.de/veroeffentlichungen/literatursuche/detailansicht/literatur/33836-entwicklungen-handlungspraxen-und-herausforderungen-im-arbeitsfeld-islamistischer-extremismus.html
Verlinkung zum Projekt:
https://www.dji.de/ueber-uns/projekte/projekte/programmevaluation-demokratie-leben/wissenschaftliche-begleitung-des-handlungsbereichs-land.html