Die Bedeutung kollektiver Marginalisierung und negativer sozialer Emotionen für die Erklärung extremismusaffiner politischer Einstellungen: Eine empirische Untersuchung auf Basis der General Strain Theory.

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Jannik M.K. Fischer, Rebecca Endtricht, Diego Farren

Universität Hamburg/Kriminologie

Die General Strain Theory nimmt an, dass Konfrontationen mit sozialen Belastungen vor allem dann zur Etablierung normabweichender Verhaltensweisen und Einstellungen führen, wenn diese Belastungen mit negativen Emotionen verbunden sind. Extremismusaffine politische Einstellungen können solche Formen normabweichender Haltungen darstellen. In der vorliegenden Studie wird, anschließend an diese theoretischen Überlegungen, untersucht, ob (1) das Erleben kollektiver Marginalisierung die Wahrscheinlichkeit der Befürwortung extremismusaffiner politischer Einstellungen steigert und (2) inwieweit dieser Effekt über die Wirkungen damit verbundener negativer sozialer Emotionen zu erklären ist. Die theoretischen Annahmen werden anhand von Daten einer für die deutsche Wohnbevölkerung ab 18 Jahren repräsentativen Befragung (n = 4.483) überprüft. Im Wege von Strukturgleichungsmodellen wird untersucht, ob negative soziale Emotionen, hier gemessen über kulturelle Verlustängste, den Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung einer gesellschaftlichen Marginalisierung der Eigengruppe (kollektive Marginalisierung) einerseits und demokratiedistanten, extremismusaffinen Einstellungen andererseits vermitteln. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Erleben kollektiver Marginalisierung wie erwartet mit einem signifikant erhöhten Risiko der Entwicklung demokratiedistanter, extremismusaffiner politischer Einstellungen einhergeht. Dieser Effekt wird vollständig durch mit kollektiver Marginalisierung assoziierten negativen sozialen Emotionen mediiert. Insoweit ist festzustellen, dass die Wahrnehmung einer gesellschaftlichen Ausgrenzung und Benachteiligung der Eigengruppe zwar ein wichtiger Faktor zur Erklärung der Entstehung politisch-extremistischer Einstellungen ist, dieser aber zentral über interindividuell variierende emotionale Prozesse vermittelt wird. Neben sozial dysfunktionalen gesellschaftlichen Zuständen sind daher vor allem damit assoziierte negative Emotionen wie Ängste und Bedrohungserleben zentral zur Erklärung von politischen Extremismen, was auch für präventive Maßnahmen eine wichtige Feststellung bedeutet.

Jannik M.K. Fischer, Rebecca Endtricht, Diego Farren: Die Bedeutung kollektiver Marginalisierung und negativer sozialer Emotionen für die Erklärung extremismusaffiner politischer Einstellungen: Eine empirische Untersuchung auf Basis der General Strain Theory, in: RPsych Rechtspsychologie, Seite 173 – 195. Jahrgang 8 (2022), Heft 2.